An unserem Esszimmertisch
Mehr als nur eine Trauerrede
Als Trauerredner halte ich eine Rede. Eine Rede über einen geliebten Menschen. Über einen Menschen, den ich selbst nicht gekannt habe.
War es das schon? So einfach? Meine Berufung in nur drei Sätzen?
Oft wird heute leider noch unterschätzt, was sich hinter diesen drei Sätzen alles verbirgt. Dass es auch immer wieder deutliche Unterschiede in der Arbeit eines Trauerredners oder einer Trauerrednerin gibt.
Vor einigen Wochen habe ich ein Feedback bekommen, was mich wirklich sehr bewegt hat. Diese Rückmeldung möchte ich teilen, weil sie so viel von dem enthält, was ich mit „mehr als nur eine Trauerrede“ meine:
„Hallo lieber Ben,
heute vor einem Jahr, haben wir Dir drei Stunden alles über den Papa erzählt. Du hast so geduldig zugehört, unsere Tränen hingenommen und hattest sogar selbst welche in den Augen. Ich erinnere mich, als wäre es erst gestern gewesen, als ich Dir erzählt habe, dass mein Papa mein Leben war und Du mir gegenüber gesessen bist. Einfach nur zugehört hast und am Ende zu mir sagtest: „jetzt habe selbst ich Gänsehaut“. Noch heute bin ich Dir unendlich dankbar für Deine wunderschöne Rede anlässlich der Beerdigung meines Papas. Ich denke so oft an die Worte, welche Du gesagt hast. Vor allem wie Du sie gesagt hast. Viele kamen Tage oder Wochen danach zu mir und sagten mir, man hätte meinen können, der Papa war einer Deiner Freunde, weil Du ihn so gut beschrieben hast – wie er war. Ich vermisse ihn trotz diesem einen Jahr noch immer so sehr, wie an diesem Tag, als Du bei uns am Esszimmertisch saßt …“
Abgesehen davon, dass diese Rückmeldung mich unfassbar dankbar und demütig macht, zeigt sie auch deutlich auf, wie BEN als Trauerredner arbeitet. Auf diese Punkte möchte ich eingehen:
1. Am Esszimmertisch – Das Vorgespräch
Für das Vorgespräch nehme ich mir Zeit. Ich komme zu den Angehörigen nach Hause. In die gewohnte Umgebung. In vielen Fällen, ist das die Umgebung, in welcher auch der Verstorbene gelebt hat. Direkt bekomme ich ein erstes Gefühl. Sehe Bilder an den Wänden oder erste Hinweise zu Leidenschaften.
Oft fragen mich die Menschen bei der Terminvereinbarung am Telefon, ob sie etwas vorbereiten sollen. Ich verneine das in der Regel mit folgender Begründung:
„Die Antworten auf die Fragen, die ich stelle, tragen Sie im Herzen.“
Mir ist das persönliche Gespräch sehr wichtig. Ich würde sagen, sogar fast noch ein wenig wichtiger, als die Trauerrede selbst. Es ist ein essentieller Bestandteil der Trauerarbeit.
So gerne ich, den Angehörigen den Schmerz abnehmen würde: Das kann ich leider nicht. Er gehört auch zu der individuellen Verarbeitung des Verlustes dazu. Das äußert sich bei jedem Menschen anders. Denn jeder hat seine Art damit umzugehen. Jeder hat seine persönliche Verbindung zu dem Menschen, über den ich sprechen darf.
Deswegen sitzen wir am Esszimmertisch auch mit mehreren Personen. Es ist die verschiedene Sicht der Dinge, die das Bild eines Menschen komplett macht.
Ich kann im Vorgespräch, einen Teil der Ängste vor der anstehenden Trauerfeier nehmen. Einfühlsam versichere ich immer wieder, dass wir den Tag nicht „dramatisch“ gestalten werden.
In meinen Vorgesprächen gebe ich den Menschen ein gutes Gefühl, dass ich DA sein werde. Gefühlvoll, aber auch stark und präsent.
2. Die Antwort hinter der Antwort – Die richtigen Fragen stellen
Im Gespräch geht es mir nicht darum, einen tabellarischen Lebenslauf abzufragen, um in einer vorgefertigten Rede, die Zahlen, Daten und Fakten auszutauschen. Klar gehören wichtige Stationen dazu.
Viel wichtiger ist es doch, dass ich etwas über die Persönlichkeit erfahre. Über die Erfahrungen. Die positiven Erlebnisse. Was hat den Menschen ausgemacht? Was waren die Ecken und die Kanten? Was steht hinter Adjektiven, wie gut oder schlecht? Schön oder bunt? Welche Beispiele gibt es aus dem gemeinsam verbrachten Alltag?
Als ausgebildeter Coach und Mediator höre ich auf die Zwischentöne, achte darauf, was mit der Tonspur mitschwingt. Greife auch Konflikte auf. Versuche tröstend, die Menschen dazu einzuladen, Perspektiven zu wechseln. Die Sicht auf Eigenschaften zu lenken, die im Alltag vielleicht nur unbewusst wahrgenommen wurden.
So werden immer wieder AHA-Effekte ausgelöst.
Hierzu nehme ich mir immer wieder Zeit. Denn manchmal ist eine Frage einfach zu früh. Die Zeit noch nicht reif für die Antwort.
„Nirgendwo wird so viel gelogen, wie auf dem Friedhof!“
Diese Aussage haben wir alle schon mal gehört. Doch muss das so sein? Ich glaube nein. Aus meiner Sicht macht es keinen Sinn, in einer Trauerrede „Lobeshymnen zu singen“, wenn eben nicht alles gut war. Hier finde ich sicherlich die Balance zwischen blanker Ehrlichkeit und Würde.
„Jeder Mensch hat es verdient, am Ende eines Lebens würdevoll begleitet zu werden.“
Authentizität und Ehrlichkeit sind dafür unabdingbar.
3. Die Geschichte eines meiner Freunde – Die Trauerrede
Wie geht das? Die Geschichte eines Freundes zu erzählen, den ich zwar gerne kennengelernt hätte, aber es definitiv nicht habe.
Ich glaube, dass ich das in den vorherigen zwei Punkten ausführlich beschrieben habe.
Die Definition von Freundschaft lautet: „Ein auf Gegenseitigkeit beruhendes Verhältnis von Menschen zueinander, welches sich durch Sympathie und Vertrauen auszeichnet“.
Die Informationen, die mir die Angehörigen vertrauensvoll in meine Hände legen, sind voller Belege für das Verhältnis, welches sie zu dem Verstorbenen hatten. Ich behaupte, dass ich „nur“ das Sprachrohr für genau diese zwischenmenschlichen Beziehungen bin. Der Mensch sein darf, der diese Verbindungen nochmal mit Farbe füllt. Somit entsteht ein bleibendes Bild.
Das ist auch eine große Verantwortung. Eine Verantwortung, der ich mich immer wieder gerne stelle. Die ich zu schätzen weiß.
4. Worte und das Wie – Wie BEN spricht!
Worte, die man fühlt, sind so viel echter, als ein gelesenes Wort. Ich greife die Gefühle der Menschen im Vorgespräch auf. Es sind genau diese Gefühle, die ich in meine Worte transportiere. Diese Gefühle sind nicht wirklich trennbar von meinen eigenen. Ergreifen auch mich.
Deswegen händige ich die Trauerrede auch nie im Vorfeld aus. Gerade weil das gesprochene Wort so anders ist, als das gelesene.
Denn trotz aller Stärke, habe auch ich meine eigenen Erfahrungen, die mich zu dem gemacht haben, was ich heute bin. Somit fühle ich mit. Leide aber nicht mit.
Das hilft mir dabei, eine Stütze zu sein.
Natürlich könnte ich jetzt noch viel über Organisatorisches, Musikalische Beratung, ordentliche Technik, Planung des Ablaufs, Zeitmanagement, Pünktlichkeit etc. berichten. Doch das sind für mich wichtige Basics, die ich als Trauerredner mitbringen muss. Ich bin mir immer bewusst, dass am Tag der Trauerfeier, alles passen MUSS! Wir haben keine Generalprobe, können den Tag nicht wiederholen. Diese Verantwortung ist mir eine Herzensangelegenheit!
Das ist so viel mehr, als eine Trauerrede.